Tiergesundheit in Krisenzeiten essenziell für Tier-, Umwelt- und Klimaschutz

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Freising/Bonn (ots) –

Der Bundesverband für Tiergesundheit e.V. (BfT) befasste sich auf der Frühjahrsveranstaltung in Freising mit der wichtigen Rolle von gesunden Nutztierbeständen für die ressourcenschonende Lebensmittelerzeugung und die gesellschaftlich relevanten Aspekte der Kleintier-Gesundheit. Auch wenn sich in der Nutztierhaltung große Umbrüche andeuten: Tiergesundheit und Tierwohl sind und bleiben auf allen Ebenen essenziell.

Die diesjährige Frühjahrsveranstaltung am 04. Mai 2023 verschaffte mit Expertenvorträgen aus dem Nutz-, Kleintier- und gesellschaftsökonomischen Bereich einen facettenreichen Einblick in die Bedeutung von Tiergesundheit in Krisenzeiten. Dieser reichte von konkreten Herausforderungen bei Nutztier und Kleintier über die gesellschaftlichen Erwartungen und neue Technologien bis hin zu komplexeren Denkkonzepten, auf die die Branche eingehen muss. Vorträge und Diskussion machten deutlich, dass die Chancen des Wandels darauf angewiesen sind, auf einer funktionierenden Wertschöpfungskette aufbauen zu können, für die Politik und Gesetzgeber den entsprechenden Rahmen gewährleisten müssen.

Prävention als Schlüsselfaktor für die Tiergesundheit

In der aktuellen Situation ist Prävention ein Schlüsselfaktor für gesunde Tiere. Das gilt für Nutz- und Kleintiere gleichermaßen. Prof. Johannes Holzner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, selbst auch Milchkuhhalter, verwies auf die Vorteile eines umfassenden Tiergesundheitsmanagements, das nach seiner Einschätzung für unternehmerisch denkende Landwirte zur Risikominimierung unverzichtbar ist. Hierbei spielen Impfungen eine wichtige Rolle: „Wenn Impfungen ausbleiben, dann ist das oft einer falschen Kalkulation geschuldet.“ Eine Impfung sei immer wirtschaftlich, da sie Langzeitschäden vermeidet. Ein effektives Bestandsmanagement, der Einsatz von digitalen Technologien und die damit verbundene Zeitersparnis leisten weit mehr als einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorbeuge für den Einzelnen. Weitsichtig betrachtet reduziert sich durch einen gesunden Tierbestand die CO2-Emmission, was zum Klimaschutz beiträgt. Darüber hinaus lautete sein Appell: „Die Tiergesundheitsbranche – Tierärzte und Unternehmen – müssen aus der Steinzeit herauskommen“. Der Full-Liner mit einem Rund-um-Service insbesondere rund um die Bestandsbetreuung – das sollten Tierärzte heute bieten, wollen sie gleichberechtigter Partner der Tierhalter sein. Die Affinität der Landwirte zu digitalen Systemen sei deutlich höher als beim Tierarzt und auch in der Betriebspraxis bereits etabliert. Zusätzlich brauche es den engen Schulterschluss von Tierärzten, Tiergesundheitsunternehmen und Landwirten. Insbesondere, um in herausfordernden Zeiten durch Anpassungs- und Wandelfähigkeit des Sektors die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Haustiersegment braucht bessere Compliance

Prof. Holger Volk von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover rückte in seinem Vortrag die Haustiere in den Blick. Der Hund spiegele uns am meisten. Hier besteht eine enge Bindung über das Oxytocin, das Mensch und Hund in der Interaktion freisetzen. Der Boom während der Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Haustiere die emotionale Gesundheit und soziale Integrität der Besitzer fördern, aber im Umkehrschluss auch Verhaltensauffälligkeiten, wie etwa Stress, von den Tierhaltern auf die Tiere übertragen würden. „Vor diesem Hintergrund ist das One-Health-Konzept mit seiner Verbindung zwischen Human- und Tiermedizin der richtige Ansatz. Gerade im Haustiersegment müssen wir zu einer besseren Compliance kommen – weg von dem früheren Absetzen von Medikamenten ohne jede Kontrolle“, forderte Prof. Volk. Haustiere werden zudem immer älter – dies erfordert Gesundheits-Check-Konzepte wie sie beispielsweise in England bekannt sind. Er verwies noch auf ein weiteres Problem: „Die heute vielfach angespannte finanzielle Situation macht es vielen Heimtierhalter in Deutschland derzeit schwer, die Tiere optimal zu versorgen. Und es ist abzusehen, dass dies zukünftig noch schwieriger wird.“ Darüber hinaus plädierte er für eine stärkere Ausrichtung der Forschung auf den gesellschaftlichen Nutzen. Zwar bleibe die Grundlagenforschung wichtig, doch müsse der Fokus auf einem Weniger an abstrakter Forschung liegen und mehr hin zu einer Durchentwicklung in Produkte oder Maßnahmen in der Tierhaltung.

Sprunginnovation bei der Fleischerzeugung erwartet

Als dritter Referent skizzierte Prof. Nick Lin-Hi von der Universität Vechta mit Blick auf die Nutztierhaltung ein gänzlich anderes Zukunftsbild. Ein Drittel aller vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen stamme aus der Ernährung, und die Hälfte davon aus der Fleischerzeugung. Bei dem weltweiten Fleischkonsum sei u.a. aufgrund des Bevölkerungswachstums bis 2050 mit einer weiteren Steigerung um 60 oder gar 100 Prozent zu rechnen – und das übersteige die Tragfähigkeit des Planeten bei Weitem. Appelle an die Verbraucher zu Lebensweise und Ernährung, so seine Erkenntnis als Verhaltensökonom, fruchten nicht. Die technologische Entwicklung dagegen werde auch bei der Fleischerzeugung greifen. Prof. Lin-Hi spricht von einer disruptiven Technologie, die die Herstellung von tierischem Protein in den nächsten zehn Jahren verändern wird. „Ich rechne hier mit einer Sprunginnovation, die die zelluläre Landwirtschaft und in-vitro-Ansätze bei der Erzeugung von Milch und Fleisch enorm voranbringen wird,“ so Prof. Lin-Hi. 90 Prozent weniger Treibhausgase und die entsprechende Reduktion bei Wasser- und Landbedarf sprächen ebenfalls eine deutliche Sprache. Trotz einiger kritischer Nachfragen, etwa zum Energiebedarf der zellulären Fleischproduktion, geht Prof. Lin-Hi davon aus, dass der Umbruch in der Fleischerzeugung schneller kommt als dies viele heute für möglich halten. Innovationskraft, Schnelligkeit und das Zusammenspiel verschiedener Akteure entscheiden über die Rolle Deutschlands in diesem Zukunftsmarkt.

One Health als Leitbild für politisches Handeln

Der enge Zusammenhang bei der Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt stand im Fokus des Grußworts der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick. Sie machte deutlich, dass One Health auch das Leitbild für das politische Handeln sei. Weniger Tiere besser zu halten sei ein wichtiger Eckpfeiler. Sie sprach die vier Bausteine des aktuell vom Ministerium vorlegten Gesamtpaketes für die Nutztierhaltung mit dem ersten Schritt der Tierhaltungskennzeichnung an. „Tierschutz muss selbstverständlich sein und selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten – auch beim Haustier – besser werden. Hier ist sicher mehr Aufklärung erforderlich“, stellte Dr. Nick fest.

„Tiergesundheit ist und bleibt essenziell – und zwar für Tierschutz, Umweltschutz und Klimaschutz. Um die richtigen Weichen zu stellen, müssen Strukturen und Regulierungen in ihrer Gesamtheit für einen zukunftsfähigen und zuverlässigen Rechtsrahmen diskutiert werden. Nur so wird sich der unterschiedliche gesellschaftliche Bedarf – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – aufnehmen lassen. Der Sektor selbst ist gefordert, aktiv Lösungen vorzulegen. Ein weiter Blick und Unterstützung durch die Politik sind notwendig, um Innovation und technologischen Fortschritt zuzulassen. Wertschöpfung ist dabei unerlässlich. Sonst sägt man den Ast ab, der die Früchte tragen soll“, lautete das Fazit von Dr. Sabine Schüller, Geschäftsführerin des Bundesverbands für Tiergesundheit e.V.

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Quelle: ots