Lipödem-Patientin und Künstlerin Flore Carvas über die positive Wirkung von Kunst / „Sich kreativ auszudrücken kann dabei helfen, besser mit Erkrankungen umzugehen.“

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Bayreuth (ots) –

Psychosomatische Krankheiten, chronische Schmerzen und langanhaltende Erkrankungen beeinträchtigen maßgeblich den Lebensalltag von Betroffenen, sowohl privat als auch beruflich. Vielen Patient:innen hilft es, wenn sie ihre Gedanken, Ängste und Gefühle kreativ ausdrücken können – etwa durch Malen, Zeichnen, Tanzen oder Fotografieren. Auch die Französin Flore Carvas aus Carentan-les-Marais (Normandie) konnte sich durch das Zeichnen von Comics besser mit ihrer Diagnose Lipödem auseinandersetzen – und anderen Betroffenen helfen, ihren Körper und sich selbst zu lieben. Im Interview mit dem Medizinprodukte-Hersteller medi erzählt die 39-Jährige, weshalb die Betrachtung einer Erkrankung durch die Brille der Kunst den Dialog sowie einen Perspektivwechsel für Betroffene ermöglicht.

Liebe Frau Carvas, weshalb ist es Ihnen ein so großes Anliegen, das Bewusstsein für die Erkrankung Lipödem zu schärfen und Aufklärung zu betreiben?

„In Frankreich wird das Lipödem als Krankheit nicht anerkannt und die Therapie mit medizinischer Kompression nicht von den Krankenkassen abgedeckt. Zudem gibt es kaum Aufklärung in der Öffentlichkeit – die meisten Patient:innen werden, wie ich, oft erst Jahre oder Jahrzehnte später diagnostiziert und haben bis dahin einen unglaublichen Leidensweg hinter sich. Aufgrund meiner persönlichen Geschichte ist es mir einerseits wichtig, zu informieren und auf die Erkrankung Lipödem aufmerksam zu machen. Andererseits möchte ich auch Betroffene erreichen und diese motivieren, über ihre körperlichen sowie psychischen Probleme zu sprechen und sich mehr zu zeigen.“

Sie haben gerade erwähnt, dass es lange gedauert hat, bis Sie die Diagnose Lipödem bekommen haben. Wann sind die Symptome das erste Mal aufgetreten?

„Schon seit meiner Jugend habe ich mit dem typischen Anzeichen von Lipödem zu kämpfen: Im Vergleich zu meinem schlanken Oberkörper habe ich eher stämmige Beine mit symmetrischen Fetteinlagerungen. Ich habe mich für mein Aussehen geschämt und meine Beine so gut es ging unter weiter Kleidung versteckt – ich konnte mit niemandem darüber sprechen, weder mit Familie noch Freund:innen. Die Situation war insgesamt sehr belastend für mich. Als ich vor knapp zehn Jahren mit meinem Sohn schwanger war, verschlimmerte sich das Lipödem und ich hatte insbesondere nachts anhaltende Schmerzen in den Waden, weshalb ich schlecht schlafen konnte. Auch sportliche Aktivitäten wie Laufen oder Springen waren aufgrund der Schmerzen nicht machbar. Ich erinnere mich noch gut an eine Situation, als ich mit meinem damals zweijährigen Sohn am Strand war und ihn nicht mehr einholen konnte, als er davonrannte. Bis dahin hatte ich nie gedacht, dass eine Krankheit der Grund für mein Aussehen sein könnte.“

Wie haben Sie schlussendlich die Diagnose erhalten?

„Nach dem Vorfall am Strand habe ich angefangen, im Internet zu recherchieren und Stichwörter zu meinen Symptomen eingegeben. So stieß ich auf mehrere Fotos von Frauen, die mir ähnelten und deren Aussagen meine eigenen Erfahrungen widerspiegelten. Durch eine Selbsthilfegruppe habe ich die Kontaktdaten eines Angiologen erhalten, der meine Vermutung Lipödem bestätigte. Ich war damals 33 Jahre alt.“

Wie haben Sie auf die Diagnose reagiert?

„Ich war einerseits erleichtert, dass mein Problem endlich einen Namen erhielt, andererseits war ich wütend. Wütend, weil ich so viele Jahre geglaubt hatte, mein Aussehen würde mit meiner Ernährung oder mangelnder körperlicher Aktivität zusammenhängen – ich dachte, ich sei schuld an meinem Aussehen. Fakt ist: Die Krankheit, die ich als Teenie bekam, hat einen Großteil meiner Persönlichkeit bis heute geprägt.“

Haben Sie im Anschluss den Austausch mit anderen gesucht?

„Da ich schon immer sehr gerne gezeichnet und später auch eine Ausbildung an einem Animationsinstitut gemacht habe, begann ich, Illustrationen von bekannten Comic-Figuren mit Lipödem-Merkmalen zu erstellen. Diese habe ich auf meinem Instagram-Account geteilt und Frauen gebeten, die ebenso an der Krankheit litten und mir folgten, Fotos von sich aus verschiedenen Blickwinkeln zu schicken. Ich habe Monate damit verbracht, immer wieder Lipödem-Silhouetten zu zeichnen – dadurch habe ich gelernt, die Krankheit ein Stück weit anzunehmen. Das Zeichnen ist für mich ein Prozess, um Erfahrungen und Erlebnisse zu verarbeiten – ich kann damit Emotionen ausdrücken, die nur schwer in Worte zu fassen sind. Und es hilft mir, ein tieferes Verständnis meiner eigenen Gefühle und Gedanken zu erlangen.“

Wie haben Ihre Follower:innen auf die Frage nach persönlichen Fotos reagiert?

„Erstaunlicherweise war das Feedback sehr gut. Ich habe viele Nachrichten und Fotos von Frauen erhalten und gemerkt, wie groß das Redebedürfnis ist – viele haben mir ihre persönliche Geschichte erzählt. Sie freuen sich, Kontakt zu jemandem zu haben, der Ähnliches durchgemacht hat. Allen war allerdings auch gemein: Betroffene schauen sich nicht gerne im Spiegel an und meiden es, Fotos von sich selbst zu machen. Aber wenn sie die fertige Illustration sehen, finden sie sich und ihren Körper schön.“

Weshalb ist das so?

„Meiner Meinung nach spielt es eine Rolle, dass ich als Künstlerin selbst von der Krankheit Lipödem betroffen bin und dadurch meine eigenen, realen Erfahrungen in meine Illustrationen einbringe – was vielleicht die Kunst in den Augen der Betroffenen aufwertet. Außerdem hilft es sicherlich, sich selbst als abstrakte Comic-Figur zu sehen, losgelöst von der Person. Wir neigen dazu, viel kritischer mit uns selbst zu sein, als andere uns sehen – wir nehmen jeden kleinsten Fehler, jede Delle an unseren Beinen, jedes Haar, das nicht korrekt liegt, in Hochauflösung wahr. Eine Erkrankung durch die Brille des künstlerischen Ausdrucks betrachtet, kann Patient:innen bei der Auseinandersetzung helfen und Strategien fördern, positiver damit umzugehen.“

Fertigen Sie heute immer noch Illustrationen von Follower:innen an?

„Wenige Monate nach dem Start meines Instagram-Accounts habe ich so viele Anfragen von Follower:innen bekommen, dass ich alle Wünsche nicht mehr erfüllen konnte. So ist die Idee für mein Buch entstanden ,Vivre avec un Lipoedème‘ (deutsch: Leben mit einem Lipödem), das 2021 erschienen ist. Darin versuche ich die Krankheit, mögliche Behandlungen und die psychischen Auswirkungen des Lipödems zu erklären – begleitet werden die Texte von meinen Illustrationen. Das Buch kam so gut an, dass es später sogar auf Englisch herausgegeben wurde.“

Können Sie heute hauptberuflich davon leben?

„Nein, ich bin bei der Stadt Carentan-les-Marais, wo ich wohne, in der Kommunikation und als Grafikerin angestellt. Aber ich entwerfe nebenbei Illustrationen für Vereinigungen oder medizinische Fachkräfte, die sich mit dem Thema Lipödem beschäftigen. Und ich habe mich sehr über die Anfrage von medi gefreut, ob ich Interesse an einer Zusammenarbeit hätte. Die Illustrationen zu Lip- und Lymphödem für medi Marketingbroschüren und Social Media Kanäle haben mir großen Spaß gemacht. Ich bin stolz darauf – auch in Frankreich ist medi eine anerkannte Marke für medizinische Kompressionsversorgung.“

Wie stehen Sie heute zu Ihrer Erkrankung?

„Trotz all meiner Aktivitäten in den sozialen Netzwerken, meinem Engagement in der französischen Lipödem-Vereinigung und vielen Gesprächen mit anderen Betroffenen, habe ich ehrlicherweise noch nicht Frieden damit schließen können. Die Angst, nicht ernst genommen zu werden, die Scham und die Furcht vor Verurteilung bestehen nach wie vor – aber mich intensiv mit der Erkrankung zu beschäftigen, viel darüber zu lesen und zu überlegen, was mir guttut, hilft mir, besser damit umzugehen. Ich nehme meine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen ernster als früher. Zudem habe ich mich einer Liposuktion (Fettabsaugung) an den Beinen unterzogen, die meine Schmerzen erheblich verringerte. Die Arbeit an der Selbstakzeptanz ist lang und ich stehe erst am Anfang dieses Weges – den ich so optimistisch und lebenslustig wie möglich beschreiten möchte.“

Liebe Frau Carvas, herzlichen Dank für das Interview und die Einblicke in Ihr künstlerisches Werk!

Informationen für den Sanitätsfachhandel sind erhältlich unter: Telefon 0921 912-333, E-Mail [email protected]

Surftipps:

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Quelle: ots