Bayreuth (ots) –
Eine Schwangerschaft ist für viele werdende Mütter eine aufregende und erfreuliche Zeit. Allerdings ist sie auch mit körperlichen und hormonellen Veränderungen verbunden. Für Frauen wie Vanessa Gerats, die an einem Lipödem leiden, stellen sich im Vorfeld viele Fragen: Wie kann das Lipödem den Verlauf der Schwangerschaft beeinflussen beziehungsweise die Schwangerschaft das Lipödem? Nehmen die Beschwerden zu? Kann die Therapie mit medizinischer Kompression problemlos fortgesetzt werden? Könnte das Baby die Krankheit erben? Im Interview berichtet Vanessa Gerats, wie sie mit ihrer Diagnose „Lipödem“ lebt und welchen Einfluss die Erkrankung auf ihre Schwangerschaft hatte.
Liebe Frau Gerats, erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihres Sohnes. Wie ist es Ihnen während der Schwangerschaft ergangen?
„Grundsätzlich gut. In den ersten zwölf Wochen habe ich mich allerdings matt und erschöpft gefühlt – im zweiten Trimester hat das wieder abgenommen. Laut meiner Hebamme ist diese Müdigkeit normal, der Körper passt sich der neuen Rolle als Mutter an: Der Hormonhaushalt verändert sich, die Blutmenge nimmt zu und der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren. Gegen Ende des ersten Trimesters hatte ich einen kleinen Lipödem-Schub, bei dem ich zwei Wochen lang verstärkt Schmerzen in meinen Beinen hatte.“
Was haben Sie dagegen unternommen?
„Ungeheuer wohltuend war die manuelle Lymphdrainage, die ich einmal pro Woche bekomme. Zusätzlich habe ich selbst das Gewebe regelmäßig massiert – das hat ebenfalls Linderung gebracht.“
Seit wann wissen Sie, dass Sie an einem „Lipödem“ leiden?
„Die Diagnose habe ich erst vor drei Jahren im Frühjahr 2020 erhalten. Druck- und Spannungsschmerzen hatte ich allerdings schon seit meiner Pubertät beziehungsweise seitdem ich die Pille verschrieben bekommen habe. Es war auffällig, dass seit der regelmäßigen Einnahme meine Oberschenkel stark an Umfang zunahmen, mein Bauch und die Taille aber gleich blieben – innerhalb von drei Monaten nahm ich zwölf Kilo zu. Klinisch ist es allerdings nicht belegt, dass ein Lipödem durch hormonelle Verhütungsmittel entstehen kann. Das war eine schwere Zeit für mich – ich war einigen Vorurteilen und Anfeindungen meiner Mitschüler:innen ausgesetzt. Leider traute ich mich nicht, die Kleidung zu tragen, die mir gefiel, sondern trug ausschließlich Hosen, die mindestens über die Knie gingen. Mir fehlte mein heutiges Selbstbewusstsein!“
Haben Sie außer Druck- und Spannungsschmerzen weitere Beschwerden verspürt?
„Meine Beine wurden vor allem im Winter bei Spaziergängen unheimlich schnell kalt, schmerzten und sind erst Stunden später wieder auf Normaltemperatur gewesen. Ich dachte immer, ich hätte schlichtweg Gewebe, das schlecht durchblutet wird.“
Wie haben Sie die Diagnose „Lipödem“ erhalten?
„Ich war mit meiner Schwägerin in der Sauna und sie hat das Thema sensibel angesprochen, da sie das Krankheitsbild von einer Freundin kannte. Sie meinte, ich hätte so eine schlanke Figur, nur die Beine würden nicht zum Rest des Körpers passen. Zu Hause habe ich sofort im Internet das Krankheitsbild studiert sowie die Therapiemöglichkeiten. Als ich Fotos von Lipödemen im dritten Stadium sah und verstand, dass die Krankheit nicht heilbar ist, war ich schockiert. Bei meiner weiteren Recherche stieß ich auf den Webauftritt von Caroline Sprott, ebenfalls Lipödem-Betroffene. Ihre farbenfrohen Bilder mit medizinischer Kompressionsversorgung fand ich klasse! Die Looks sahen modisch aus und Caroline strahlte ein wahnsinniges Selbstbewusstsein und eine Fröhlichkeit aus. Und da dachte ich, selbst wenn sich die Diagnose bewahrheiten sollte, schaffst auch du es, gut damit zu leben!'“
War dem auch so?
„Als mein Gefäßchirurg die Diagnose bestätigte, fühlte ich mich kurzfristig hilflos und weinte erst einmal am Parkplatz vor der Praxis. Aber der Rückhalt meiner Familie war unglaublich – insbesondere mein jetziger Ehemann hatte immer ein offenes Ohr, war optimistisch und äußerst verständnisvoll. Er meinte, ich sollte mich auf die Therapie einlassen und gut zu mir sein. Er liebt mich, wie ich bin – gemeinsam schaffen wir das! Ich habe dann auch gezielt online nach weiteren Betroffenen gesucht und zum Beispiel Vanessa Reins‘ Seite ,Rund und sportlich‘ entdeckt. Zu sehen, wie viel positive Lebensenergie andere Betroffene ausstrahlen, war ermutigend und inspirierend zugleich.“
Haben Sie sich bei Ihrer ersten medizinischen Versorgung auch gleich eine Trendfarbe ausgesucht?
„Nein, ganz so mutig war ich nicht. Ich habe mich umfassend im Sanitätshaus beraten lassen, zum Beispiel auch zu Zusätzen, und mich schlussendlich für eine hautfarbene mediven cosy Strumpfhose entschieden mit geschlossener Fußspitze. Meinem Ehemann hätten die auffälligeren Farben besser gefallen, aber ich musste mich langsam vortasten. Mittlerweile liebe ich die expressiven mediven Farben! Mein Favorit war die letzte Trendfarbe Mangogelb! Aber Himbeerrot ist ebenfalls ein Highlight. Mittlerweile kann es nicht auffallend genug sein und ich wage mich auch an Design- und Fashion-Elemente.“
Sie haben anfangs von manueller Lymphdrainage erzählt – haben Sie diese erst in der Schwangerschaft verschrieben bekommen oder nach der Diagnose?
„Ich habe nach der Diagnose alles an Literatur gelesen, was es über die Erkrankung Lipödem gab. Ich wollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um mit der Erkrankung besser umzugehen. Deshalb habe ich mit der Unterstützung meines Arztes bei der Deutschen Rentenversicherung eine stationäre Reha beantragt, die auch sofort bewilligt wurde. Fokus der Reha lag in erster Linie auf einer intensiven Form der Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie mit manueller Lymphdrainage, Wickelbandagierung und Hautpflege – unterstützt von Ernährungs- und Bewegungstherapie sowie psychologischer Begleitung. Aufgrund des Entlassungsberichts hat mir meine Hausärztin ein Rezept für manuelle Lymphdrainage einmal pro Woche verschrieben. Und das nehme ich seitdem gerne in Anspruch.“
Achten Sie explizit auf Ihre Ernährung aufgrund Ihres Lipödems?
„Ja, mein Mann und ich ernähren uns hauptsächlich vegetarisch und versuchen, möglichst gesund und ausgewogen zu essen. Ich gehe seit drei Jahren regelmäßig zur Kosmetikerin und bekam von ihr den Tipp, dass Lebensmittel wie Schweinefleisch, Milchprodukte und Weizen Entzündungen im Körper fördern können. Wir legen Wert auf hochwertige und frische Lebensmittel – Obst, Gemüse und Vollkornprodukte kommen bei uns regelmäßig auf den Teller. Und ich merke, wie gut mir und meinem Körper die Umstellung bekommt. Aber das sollte jede:r Betroffene selbst für sich entscheiden.“
Sie haben gerade Ihren ersten Sohn bekommen – hatte die Diagnose Lipödem Einfluss auf Ihre Familienplanung?
„Für uns war immer klar, Kinder gehören zu unserem Leben dazu! Natürlich habe ich mir große Sorgen und viele Gedanken im Vorfeld gemacht: Die Hormonumstellung könnte das Lipödem verschlimmern, das Lipödem meine Schwangerschaft negativ beeinflussen, meine Finger und Beine aufgrund von Wassereinlagerungen vermehrt anschwellen oder ich könnte meine medizinische Kompressionsversorgung vielleicht nicht mehr selbst anziehen. Am meisten hat mich allerdings beschäftigt, ob es ein Mädchen wird und womöglich die Erkrankung geerbt hat.“
Haben Sie sich diesbezüglich medizinischen Rat geholt?
„Zunächst habe ich intensiv im Internet recherchiert und dann mit meinem Mann gesprochen – er hat mir die Angst genommen. Wir könnten es ohnehin nicht beeinflussen und würden damit umgehen, wenn der Fall eintreten sollte. Darüber hinaus war der Austausch mit meiner Hebamme wichtig für mich – sie war eine große Stütze!“
Haben Sie auch eine spezielle medizinische Versorgung für Schwangere getragen?
„Ja, aufgrund meiner veränderten Umfangmaße habe ich eine zusätzliche medizinische Versorgung am Ende des ersten Trimesters verschrieben bekommen. Zusätzlich habe ich das optimierte mediven cosy Umstandsleibteil von medi testen dürfen.“
Was war Ihr Resümee?
„Das Schwangerschaftsleibteil war super angenehm zu tragen und sehr weich! Die obere Zone ist elastisch und mein Bauch hatte genügend Platz zum Wachsen. Der untere Bereich stützt gut, was den Druck auf die Hüfte, gerade zum Ende der Schwangerschaft, gefühlt verringert hat. Sobald ich die Kompressionsversorgung abgelegt habe, hatte ich bei der Bewegung Schmerzen in den Beinen. Ich fand es wirklich toll, das Leibteil während meiner Schwangerschaft zu tragen – ich habe mich rundum perfekt eingepackt gefühlt.“
Inwieweit war es Ihnen möglich, in der Schwangerschaft Sport zu treiben oder sich zu bewegen?
„Vorher habe ich sehr gerne Zumba getanzt und bin Mountainbike gefahren. Dank der Knie-Funktionszone, die mir meine Fachkraft im Sanitätshaus empfohlen hat, war dies auch mit medizinischer Versorgung anfangs problemlos möglich. Leider wurde mein Zumba-Kurs eingestellt und das Mountainbiken war mir zu gefährlich mit fortschreitender Schwangerschaft. Stattdessen habe ich in meiner Hebammenpraxis einen wöchentlichen Aquafitness-Kurs besucht, der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Zusätzlich ging ich oft an der frischen Luft spazieren.“
Seit einiger Zeit sprechen Sie auch ganz offen auf Instagram über Ihre Erkrankung und Ihre Schwangerschaft – weshalb sind Sie diesen Schritt gegangen?
„Die Diagnose Lipödem ist immer noch nicht bekannt genug und Betroffene sind leider vielen Vorurteilen ausgesetzt. Häufig dauert es Jahre oder Jahrzehnte, bevor Betroffene ihre Diagnose erhalten und mit der Therapie beginnen können. Je mehr Menschen Aufklärung betreiben und sich austauschen, umso mehr wird das Bewusstsein in der Öffentlichkeit dafür geschärft. Und dazu möchte ich meinen Beitrag leisten. Deshalb habe ich mich vor zwei Jahren entschieden, zum Welt-Lipödem-Tag am 18. Mai 2021, meine Geschichte zu teilen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Und wenn ich mit meiner kleinen Plattform nur einige wenige erreiche, die dadurch informierter sind, habe ich viel gewonnen! Ich möchte mit ,Mythen aufräumen‘, die Angst vor der Erkrankung nehmen und anderen Betroffenen Mut zusprechen, offen zu sich zu stehen.“
Liebe Frau Gerats, herzlichen Dank für die Einblicke in Ihre ganz persönliche Geschichte und viel Freude mit Ihrer kleinen Familie!
Surftipps:
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Zweckbestimmung mediven® cosy: Flachgestrickter medizinischer Kompressionsstrumpf zur Kompression der unteren Extremitäten, hauptsächlich bei der Behandlung von Erkrankungen des Lymphgefäßsystems.
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