Berlin (ots) –
Ein Mensch fällt zu Boden, der ganze Körper krampft und zuckt – so stellen sich die meisten Menschen eine Epilepsie vor. Doch tatsächlich gibt es viele Formen der Epilepsie, manche Anfälle verlaufen sogar nahezu unbemerkt. Die pharmazeutischen Unternehmen entwickeln immer mehr Therapeutika – vor allem Antiepileptika – um die Behandlung an die unterschiedlichen Epilepsie-Formen und -Syndrome individuell anpassen zu können. „Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden damit anfallsfrei“, betont Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Innovation und Forschung beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). Eine gute Nachricht! Dank der großen Auswahl an wirksamen Therapien gilt die Epilepsie als die am besten zu behandelnde Erkrankung der Nervenheilkunde. Zudem sind Gentherapien für Menschen in Sicht, bei denen die Epilepsie schwer zu therapieren ist.
Epilepsie wird oft als „Gewitter“ oder „Kurzschluss“ im Gehirn bezeichnet: Plötzlich geben verschiedenste Nervenzellen im Gehirn gleichzeitig und unkontrolliert Impulse ab. Die Symptome fallen ganz unterschiedlich aus – je nachdem, ob das ganze Gehirn betroffen ist (generalisierte Epilepsie) oder eine bestimmte Region (fokale Epilepsie). Bei einem sogenannten „Grand-mal-Anfall“, den die meisten Menschen mit einer Epilepsie verbinden, krampft und zuckt der ganze Körper und der Betroffene wird bewusstlos. Aber auch eine Abwesenheit für nur wenige Sekunden (Absencen genannt) kann ein Anfall sein. Es gibt eine Vielzahl an Symptomen. „Insgesamt gibt es mehr als 30 verschiedene Formen der Epilepsie“, berichtet Dr. Serrano.
Oft keine eindeutige Ursache
Epileptische Anfälle können in jedem Lebensalter auftreten. Ein einzelner Anfall ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer Epilepsie, wie zum Beispiel ein Fieberkrampf bei einem Kleinkind. Erst wenn es zu mindestens zwei Anfällen hintereinandergekommen ist, die keine ersichtliche Ursache haben und zwischen denen mindestens 24 Stunden lagen, wird oft eine Epilepsie festgestellt. Etwa 0,5 bis ein Prozent der Menschen hierzulande sind an einer Epilepsie erkrankt, das sind bis zu 800.000 Betroffene in Deutschland. Oft lässt sich keine eindeutige Ursache für die Epilepsie feststellen. Hinter den Anfällen können zum Beispiel auch Kopfverletzungen, Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns, Veränderungen des Stoffwechsels im Gehirn oder Schlaganfälle stecken. In manchen Fällen ist eine Epilepsiegenetisch bedingt.
Antiepileptika dämpfen übererregte Nervenzellen
Über 20 verschiedene sogenannte Antiepileptika stehen für die Therapie zur Verfügung. „Diese Arzneimittel setzen die krankhafte Reizbarkeit der Nervenzellen herab und senken damit das Risiko für Anfälle bis hin zu Anfallsfreiheit“, erklärt Dr. Serrano. Die große Auswahl macht es möglich, das Arzneimittel auf die Patientin oder den Patienten individuell abzustimmen, je nach Form und Ursache der Epilepsie, Alter, Geschlecht und weiteren Faktoren. Manche Arzneimittel wirken nur bei fokalen, andere bei generalisierten Epilepsien, wieder andere bei beiden Anfallsformen oder bei ganz bestimmten Epilepsie-Syndromen. Etwa fünf von zehn Personen werden schon mit dem ersten Medikament anfallsfrei. Etwa 20 Prozent der weiteren Patienten werden beschwerdefrei mit einem Arzneimittel aus einer anderen Wirkstoffgruppe. „Es ist wichtig, die Antiepileptika regelmäßig und zu festen Zeiten einzunehmen, weil ein bestimmter Wirkstoffspiegel im Blut aufrechterhalten werden muss“, sagt Dr. Serrano.
Weitere Optionen: Operationen oder spezielle Diät
Bei bestimmten Patientinnen und Patienten kann es helfen, verschiedene Wirkstoffe miteinander zu kombinieren. Wenn eine medikamentöse Therapie nicht greift, bleiben weitere Therapieoptionen: Eventuell kann bei einer fokalen Epilepsie der Bereich des Gehirns – ohne maßgebliche Beeinträchtigung der kognitiven beziehungsweise motorischen Leistungen – entfernt werden, von dem die Anfälle ausgehen. Oder man durchtrennt bestimmte Verbindungen von Nervenzellen im Denkorgan. Bei der sogenannten „Vagusnerv-Stimulation“ wird ein Schrittmacher implantiert, der elektrische Impulse über den Vagusnerv an das Gehirn abgibt, um die Überaktivität zu dämpfen.
Vorwiegend bei Kindern mit schwer therapierbarer Epilepsie kann die ketogene Diät – sehr fettreich und arm an Kohlenhydraten – zum Einsatz kommen. Beratung erhalten Patientinnen und Patienten in Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen.
Forschung: Neue Art von Gentherapie
Hoffnung auf neue Therapien machen auch Ansätze aus der Gentherapie – allerdings steht die pharmazeutische Forschung mit ersten Studien noch ganz am Anfang. Es handelt sich dabei um eine neue Art der Gentherapie, berichtet Dr. Serrano: „Im Unterschied zur Gentherapie bei Seltenen Erkrankungen wird hier kein Gendefekt repariert.“
Eine Forschungsgruppe erprobt zum Beispiel, ein Gen für ein Neuropeptid, das übererregte Nervenzellen beruhigt, in die betroffene Hirnregion einzubringen. Der Clou dabei: Es handelt sich um eine „drug on demand“-Therapie. „Die Neuronen in dem betroffenen Areal des Gehirns produzieren und speichern zunächst dieses Neuropeptid und geben es nur frei, wenn sie überaktiviert sind, also zu Beginn eines Anfalls“, erklärt Dr. Serrano.
Ein anderer Ansatz funktioniert ähnlich, allerdings passiert hier im Gehirn erst mal gar nichts, solange sich kein Anfall ereignet. „Erst wenn die Nervenzellen stark feuern, also bei einem Anfall, springt ein Mechanismus an, der die Zellaktivität senkt.“ Kein Zweifel: Das Wissen über Epilepsie und Gentherapie wird weiterwachsen und neue Arzneimittel für die Betroffenen hervorbringen.
Pressekontakt:
Andreas Aumann (Pressesprecher), Tel. 030 27909-123, [email protected]
Original-Content von: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, übermittelt durch news aktuell
Quelle: ots