318.000 Menschen in Schleswig-Holstein leiden unter Depressionen – Fallzahlen steigen – AOK hilft mit besonderen Angeboten

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Kiel (ots) –

Immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein leiden unter Depressionen. Insgesamt waren 318.000 Menschen ab zehn Jahren in 2022 deshalb in ärztlicher Behandlung, das entspricht 11,9 Prozent der Bevölkerung im nördlichsten Bundesland. Besorgniserregend ist, dass die Anzahl der Betroffenen in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich angestiegen ist und nunmehr einen Höchstwert erreicht hat. Dabei ist besonders auffällig, dass es zwischen den Regionen in Schleswig-Holstein deutliche Unterschiede gibt. Das geht aus dem neuen ‚AOK-Gesundheitsatlas Depressionen‘ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor, der erstmals die regionale Verteilung des Krankheitsbildes transparent macht. „Depressionen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen und stellen eine enorme Herausforderung für unser Gesundheitssystem dar. Die Erkrankung führt zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen und deren Angehörigen. Oft sind Patientinnen und Patienten nicht mehr in der Lage, ihren alltäglichen Aktivitäten nachzugehen“, sagte Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest, bei der Vorstellung der Auswertung in Kiel.

Deutliche regionale Unterschiede

Der AOK-Gesundheitsatlas zeigt bei der Depressions-Häufigkeit deutliche Unterschiede zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein: Während im Kreis Nordfriesland 10,6 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung waren, lag der Anteil im Kreis Ostholstein bei 13,6 Prozent. Im Vergleich zu anderen Bundesländern liegt der Anteil der wegen Depressionen behandelten Personen in Schleswig-Holstein mit 11,9 Prozent deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von 12,5 Prozent.

Krankheitshäufigkeit steigt im Alter an – Frauen stärker betroffen

Bereits Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren sind wegen Depressionen in ärztlicher Behandlung. Die Krankheitshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Frauen sind in fast allen Altersgruppen stärker betroffen als Männer. Bei den 60 bis 64-Jährigen ist mehr als jede fünfte Frau und jeder siebte Mann betroffen. In den Altersklassen zwischen 65 und 74 Jahren ist dann ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Nach diesem ‚Knick‘ steigen die Prävalenzen jedoch weiter deutlich an. Der Prävalenzgipfel wird bei den 80 bis 84-jährigen Frauen mit 25,9 Prozent erreicht. Bei den Männern wird die höchste Prävalenz mit 15,8 Prozent in der Altersgruppe ab 90 Jahren gemessen.

Hohe Krankheits- und Produktions-Ausfallkosten durch Depressionen

Die Relevanz der Erkrankung zeigt sich auch bei den volkswirtschaftlichen Kosten, die im AOK-Gesundheitsatlas analysiert werden. So entfielen nach der letzten vorliegenden Krankheitskosten-Statistik des Statistischen Bundesamtes 9,5 Milliarden Euro auf Depressionen. Dies entspricht 2,2 Prozent aller Krankheitskosten. Depressionen haben somit aus Kostenperspektive eine höhere Relevanz als Herzinsuffizienz (7,4 Mrd. Euro) oder Diabetes mellitus (7,4 Mrd. Euro).

Zusätzlich zu den direkten Krankheitskosten entstehen indirekte Kosten durch krankheitsbedingte Fehltage. Auf die 34,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2022 hochgerechnet ergeben sich daraus 53,8 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage und Produktions-Ausfallkosten in Höhe von etwa 6,9 Milliarden Euro. Der Anteil der Depressionen an den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit beläuft sich somit auf 7,7 Prozent.

Beschäftigte in der Haus- und Familienpflege mit hohen Ausfalltagen

Allein nur bei den bei der AOK NordWest in Schleswig-Holstein versicherten Beschäftigten in 2023 fielen 769.345 Fehltage wegen Depressionen an. Die Dauer je Fall lag bei 45 Tagen. Am häufigsten betroffen von Depressionen waren Beschäftigte aus Berufen in der Haus- und Familienpflege, Sozialverwaltung & -versicherung, Kinderbetreuung & -erziehung sowie der Altenpflege. „Unabhängig davon, welchen Einfluss berufliche Belastungen auf die Entstehung einer Depression haben, bieten Instrumente wie Fehlzeiten-Analysen oder Befragungen zur Gesundheit der Mitarbeitenden im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements die Möglichkeit, die Relevanz im eigenen Unternehmen zu erkennen und den Betroffenen entsprechende Unterstützung anzubieten. Angesichts des Fachkräftemangels kommt gerade auch dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement nach einer Depression eine wichtige Rolle zu“, betonte Ackermann.

Risikofaktoren für Depressionen

Die Ursachen von Depression sind abschließend nicht aufgeklärt. „Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren, die die Entstehung der Krankheit beeinflussen können“, so AOK-Chef Ackermann. Neben einer genetischen Veranlagung gehören dazu etwa Alkoholabhängigkeit und Zigarettenkonsum, langanhaltende chronische Erkrankungen, hormonelle Veränderungen bei der Geburt eines Kindes oder kritische, mit Stress verbundene Lebensereignisse wie beispielsweise Beziehungskrisen, Todesfälle, berufliche Enttäuschungen oder Traumata durch Gewalt, Krieg oder Missbrauch. Im AOK-Gesundheitsatlas werden auch die Zusammenhänge zwischen Depressionen und Risikofaktoren in den Regionen Schleswig-Holsteins untersucht. Dazu gehören Angststörungen und Rückenschmerzen.

Regionen mit vielen Rückenschmerz-Patientinnen und Patienten stärker betroffen

Die Analyse bestätigt die aus der wissenschaftlichen Literatur bekannten Zusammenhänge, wonach in Regionen mit einem hohen Anteil von Personen mit Rückenschmerzen auch mehr Menschen von Depressionen betroffen sind. In Schleswig-Holstein sind jedoch nur niedrige oder unterdurchschnittliche Bevölkerungsanteile mit Rückenschmerzen zu finden.

Zusammenhang zwischen Angststörungen und Depressionen

Außerdem lässt sich ein Zusammenhang zwischen Depressionen und Angststörungen ableiten. Danach sind in Regionen mit einem hohen Anteil von Menschen mit Angststörungen auch mehr Personen von Depressionen betroffen. Das trifft vor allem auf die Kreise Plön, Dithmarschen, Ostholstein und Lübeck zu.

Depressionen häufiger in Regionen mit materieller und sozialer Benachteiligung

Der AOK-Gesundheitsatlas hat ebenfalls analysiert, dass materiell und sozial benachteiligte Menschen (Deprivation) häufiger an Depressionen erkranken als Menschen mit einem hohen sozialen Status. Dies betrifft die Kreise Dithmarschen, Ostholstein, Plön und Steinburg sowie die Städte Lübeck und Neumünster.

Konkrete Diagnostik und gezielte Behandlung

„Je früher eine Depression erkannt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Schon beim Verdacht auf eine Depression sollten Betroffene frühzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen“, so Ackermann. Dabei ist eine genaue Diagnosestellung erforderlich. So müssen neben Risikofaktoren auch die Krankheitsgeschichte des Patienten berücksichtigt werden. Als medizinische Leistungen stehen die Psychotherapie oder auch eine medikamentöse Therapie zur Verfügung. Medikamente gegen Depressionen werden als Antidepressiva bezeichnet. Im Jahr 2023 wurden in Schleswig-Holstein 696.079 Antidepressiva-Verordnungen für GKV-Versicherte in Höhe von 20,9 Millionen Euro ausgestellt. Nach Empfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinie sollten diese Medikamente bei leichten Depressionen nicht die erste Wahl darstellen, da in diesem Fall das Nutzen-Risiko-Verhältnis zwischen Wirkung und Nebenwirkung negativ ausfällt.

Begleitende Therapieoptionen mit interaktivem Trainingsprogramm moodgym

Bewährt hat sich das interaktive Trainingsprogramm moodgym vom Anbieter ehubHealth in Kooperation mit der AOK. Das Selbsthilfeprogramm hilft Betroffenen bei der Vorbeugung und Verringerung von depressiven Symptomen. Das Programm ist kostenlos und frei zugänglich, ersetzt aber keine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnostik oder Behandlung. moodgym beruht auf grundlegenden Methoden und Erkenntnissen der kognitiven Verhaltenstherapie, unter anderem der Bearbeitung und Modifikation von ungünstigen Denkmustern sowie der Vermittlung von Techniken zur Stressbewältigung und Entspannung. Seit dem Start im Jahr 2017 sind allein beim Programm moodgym insgesamt knapp 175.000 Registrierungen von Nutzerinnen und Nutzern zu verzeichnen.

Hilfe für Angehörige mit dem AOK-Familiencoach Depression

Ein weiteres Angebot ist der AOK-Familiencoach Depression, der Angehörige von Erwachsenen mit unklaren Depressionen Hilfestellungen gibt. Damit sollen sie den Alltag mit einem depressiv erkrankten Mitmenschen besser bewältigen können. In interaktiven Trainingsmodulen werden Informationen zur Verfügung gestellt, wie Angehörige in schwierigen Situationen gut auf sich selbst achten, Alltagsprobleme besser bewältigen und die Beziehung zu dem erkrankten Menschen stärken können. Das Online-Selbsthilfeprogramm steht kostenlos, anonym und zeitlich unbegrenzt für alle Interessierten zur Verfügung.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)

Helfen bei Depressionen können auch Internet- und mobilbasierte Interventionen, auch IMIs genannt. Das sind Anwendungen, die online eingesetzt werden können. Die Programme basieren auf Selbsthilfe, Selbstmanagement, Monitoring oder dienen zur Unterstützung von Behandlungen. Dazu gehören auch die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Bei allen DIGAs zeigten sich nach drei Monaten statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserungen der depressiven Symptomatik. Die Kostenübernahme durch die GKV erfolgt nach ärztlicher Verordnung.

Stigmata abbauen und Wissenslücken schließen

Obwohl das Krankheitsbild immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt, bleibt das Bild über die Betroffenen oft von Vorurteilen und Stigmata geprägt. Das kann Patientinnen und Patienten stark belasten. „Durch mehr Offenheit und frühzeitige Behandlungsangebote könnte vielen Menschen geholfen werden. Mit unserem AOK-Gesundheitsatlas möchten wir mit dazu beitragen, Wissenslücken beim Thema Depressionen zu schließen, ein Bewusstsein für die große Bedeutung dieser Erkrankung zu schaffen und Berührungsängste abzubauen“, so Ackermann.

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Quelle: ots